12. März

Du bist deines eigenen Elends Schmied! – Das Menschenbild in Esoterik und Karma-Lehre
Gesprächsreihe Dominovorträge, 12. März, 20:00 Uhr, VL Ludwigstrasse

Womit habe ich das verdient? – Eine Frage, die sich viele Menschen nur allzu oft stellen, auch jene, die sich selbst nicht als abergläubisch oder esoterisch bezeichnen würden. In dieser Frage kommt jedoch die Annahme von Ursache und Wirkung in einem auf das eigene Handeln und (Er-)Leben begrenzten Raum oder „Kosmos“ zum Ausdruck. Die weite Verbreitung solcher und anderer Denkweisen darf kaum verwundern, wenn vom Kindermärchen bis zur romantischen Komödie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen alle lehrreichen Erzählungen bemüht sind, zu veranschaulichen, dass gute Taten mit Glück,Wohlstand oder wahlweise auch einem reichen adligen Heiratspartner belohnt werden, während schlechte Taten Pech, Armut, Einsamkeit oder gar Tod nach sich ziehen. Verschiedene esoterische Lehren, die von der Existenz des Karmas oder „guter“ und „schlechter“ Energie ausgehen, bieten dem zweifelnden Individuum Erklärungsansätze für das „Gefühl des Ungleichgewichts“ und gleichzeitig auch vermeintliche Garantien für eine glückliche Zukunft. Dafür müssen nur im Hier und Jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

Das grundsätzliche Credo lautet also: „Du hast dein Glück selbst in der Hand.“ Bedeutet dies in der logischen Konsequenz nicht auch die eigene Verantwortung für jedes Unglück? Diese und noch weitreichendere Schlussfolgerungen aus den Ansätzen von Karma-Lehre und Co. und deren Gefahren sowie die Frage nach Gründen für die Attraktivität dieser Theorien sollen Gegenstand des Vortrags sein

Es spricht Eva Tichatschke (Halle a. d. Saale)

17. Juli

Künstlerische Avantgarde: Ende und Anfang einer Bewegung
Gespräch mit Levin Gonsior, 17. Juli, 20:00 Uhr, VL Ludwigstraße

Die historische Avantgarde scheiterte an ihren eigenen Voraussetzungen. Seit der Romantik setzt nicht mehr die Gesellschaft die Maßstäbe für Kunst, sondern der Künstler selbst und damit der Kunstmarkt, auf den er zweifelsohne angewiesen ist. Entgegen landläufiger Meinung, war damit die Avantgarde jedoch gerade in ihrer Reflexion der autonomen Kunst, eben nicht selbstbewusst geworden oder gar zu sich selbst gekommen, sondern auf den Hund.

Zum Potential zukünftiger künstlerischer Avantgarde spricht Levin Gonsior

 

27. Februar

Ende der Geschichte. – Überlegungen zur materialistischen Geschichtsauffassung
Gesprächsreihe Dominovorträge mit Benjamin Schilling, 27. Februar, 20:00 Uhr, VL Ludwigstraße

Die bürgerliche Gesellschaft stellt sich selbst als vergangenheits- und geschichtslose dar – als demokratisch-kapitalistisches „Ende der Geschichte“, als befriedete „beste aller denkmöglichen Welten“. Die Entstehungsgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft muss hinter diesem Anspruch verschwinden, würde sich bei näherer historischer Betrachtung doch ergeben, dass „das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend“ (K. Marx) zur Welt gekommen ist – und sich diese Gewalt der „ursprünglichen Akkumulation“ bis zum heutigen Tag in der kapitalistischen Ausbeutung fortsetzt. So erscheint die bürgerliche Geschichtsvergessenheit auf der einen Seite als notwendige Konsequenz aus der Kapitalverwertung.

Die andere Seite stellt die notwendig nationale Konstitution der globalen Kapitalverwertung dar. In der nationalen Mythenbildung wird Geschichte zum Steinbruch, aus dem die dem nationalen Selbstbild entsprechenden Brocken herausgebrochen und verwertet werden. Die nationale Geschichts- und Gedenkkultur erscheint somit immer als Ritual, in dem die kollektive Zusammengehörigkeit gestärkt wird.

So stehen sich Geschichtsvergessenheit und ritualisierte Gedenkkultur in der kapitalistischen Gesellschaft als zwei Seiten der gleichen Medaille gegenüber – als Zusammenspiel von kapitalistischer Verwertungslogik und nationalem Konkurrenzkampf. Eine materialistische Geschichtsauffassung müsste demgegenüber die Geschichte als „eine einzige Katastrophe“ sehen und hätte daraus den Anspruch abzuleiten, „das Werk der Befreiung im Namen von Generationen Geschlagener zu Ende [zu] führen“ (W. Benjamin).

Es spricht Benjamin Schilling (Halle a. d. Saale)

30. Januar

Ästhetik und Utopie – Zum Verhältnis von Kunst und Gesellschaft
Gespräch mit Levin Gonsior, 30. Januar, 20:00 Uhr, VL Ludwigstrasse

Das, was wir heute als Kunst bezeichnen, hat seinen Ursprung in gesellschaftlichem Denken und radikal subjektivem, ästhetischem Handeln. Seitdem der Mensch sich selbst als Teil eines übergeordneten Zusammenhangs, als Teil der Gesellschaft begreift, also seit er denkt, seitdem macht er Kunst.

Ursprünglich war Kunst eine Kulthandlung, die mannigfaltig verschiedene Formen annehmen konnte. Später schränkte sich ihr Begriff immer mehr ein. Aus kultischen Handlungen, wie Tanz, Musik, Rhetorik, Architektur usw. wurde hohes künstlerisches Handwerk bis sich schließlich in der Aufklärung die verschiedenen Künste sowie Kunsthandwerke zu einer einzigen Kunst, zu der „schönen Kunst“, bestehend aus darstellender Kunst, Musik, Literatur und bildender Kunst, formiert haben.

Die philosophische Schule des deutschen Idealismus hat als Zeitgenosse der Aufklärung einen Kunstbegriff unterm Siegel der Romantik, der Inthronierung des Menschen als Herrscher über die Natur, unmittelbar legitimiert und verallgemeinern können. Die Unterscheidung zwischen bestimmter und unbestimmter Erfahrung wurde in Poesie aufgelöst und somit ein Bezug auf bloß persönlichen Geschmack in kunstbegriffliche Kategorien eingeführt. Ein wesentliches Element der Ästhetik, nämlich die Möglichkeit der Erfahrung von Utopie, eine Zugangsweise unreglementierter Erfahrung, wurde damit dem bürgerlichen Geist überantwortet und am Kunstwerk selbst unterdrückt.

Es spricht Levin Gonsior (Halle a. d. Saale)

19. Dezember

Geschlecht und kapitalistische Vergesellschaftung
Gespräch mit Melusine Müller-Lüdenscheidt, 19. Dezember, 20:00 Uhr, VL Ludwigstrasse

Seit Beginn der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft haben Frauen das bürgerlich-universelle Gleichheitsversprechen eingefordert und wollten somit das realisiert haben, was das abstrakte Prinzip kapitalistischer Produktion in sich hielt und die bürgerliche Gesellschaft sich auf die Fahnen geschrieben hatte. Jedoch gelang ihnen dieses, im universellen Sinne, bis heute nicht, gleichwohl Veränderungen stattgefunden haben und die juristische Gleichstellung, in Deutschland, weitgehend sichergestellt wurde, zeigen sich auf der materiellen Ebene und in der alltäglichen Lebenspraxis Ungleichheit und Diskriminierung. Mit Gender-Mainstream und Gender-Studies wurde die feministische Strömung institutionell unmaterialistisch beerbt und die Erkenntnis, auch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse in einen Zusammenhang mit den Geschlechterverhältnissen zu betrachten, durch den linguistic turn über Jahre entsorgt. Mit Quoten, Sprachregelungen und Geschlechtervervielfältigung versucht man den Phänomenen einer kapitalistisch- (nachbürgerlichen) Geschlechtervergesellschaftung gerecht zu werden, schafft es jedoch nicht und verstärkt teilweise dabei noch ideologisch die Ökonomisierung von gesellschaftlichen Bereichen. Möchte man die heutigen Geschlechterverhältnisse und die davon produzierten Ungleichheiten und Diskriminierungen verstehen, muss man diese auch immer wieder an eine materialistische Untersuchung der Gesellschaft koppeln. Produktionsverhältnisse und kulturelle Phänomene müssen zusammengedacht werden, um Unterdrückungs- und Ausgrenzungsvorgänge bekämpfen zu können. Der Gedanke an ihrer Beseitigung müsste die Gesellschaft grundsätzlich in Frage stellen und nicht nur ihre Sprache oder die Veränderung der Politik, hin zu einer formellen Gleichstellungspolitik, betreiben. Es ist die Frage zu stellen, warum Heutzutage viel von Geschlechtergleichstellung geredet und dieser als gesellschaftlicher Konsens weitgehend betrachtet wird, aber von der Abschaffung des Kapitalismus in diesem Kontext nicht. In dem Vortrag sollen Überlegungen zum Zusammenhang von Geschlecht und kapitalistischer Vergesellschaftung referiert und diskutiert werden.

Melusine Müller-Lüdenscheidt (Halle a. d. Saale)

 

17. Oktober

Kulturindustrie und Streetart
Gespräch mit Helene F., 17. Oktober, 20:00 Uhr, VL Ludwigstrasse

Das Kapitel „Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug“ der 1944 erstveröffentlichten Dialektik der Aufklärung befasst sich mit der zeitgenössischen Produktion und Rezeption von Kulturgütern, bzw. genauer: mit den Bedingungen ebendieser Tätigkeiten. Obwohl, oder gerade weil der historische Kontext der Autoren für den Inhalt des Kulturindustriekapitels eine entscheidende Rolle spielt, sind Horkheimers und Adornos Thesen auch heute in der kritischen Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur nicht wegzudenken.

Seit dem Zeitpunkt der Erstveröffentlichung der Dialektik der Aufklärung scheint sich vieles geändert zu haben. Den neuen Entwicklungen zum Trotz, lassen sich die im Kulturindustriekapitel angestellten Beobachtungen und Erklärungen für ebendiese herauslösen und können auf aktuelle Entwicklungen und Begebenheiten angewandt werden. Dieser Vortrag möchte diesen Versuch in Bezug auf die Praxis der Streetart angehen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob sie sich, der Kulturindustriethese entsprechend, der bestehenden Ordnung fügt und die Kulturindustrie auf diese Weise mitkonstituiert, oder ob sie den Mainstream in Frage stellt und es vermag, dialektisch auf die gesellschaftlichen Zwänge hinzuweisen.

Es spricht Helene F. (Halle a. d. Saale)

26. September

Mit Sprachmagie gegen weiße Dominanz – Über Widersprüche der „Critical Whiteness“
Gespräch mit Benjamin Schilling, 26. September, 19:30 Uhr, VL Ludwigstrasse

Seitdem der „Aufstand der Anständigen“ den ehemals linksradikalen Antirassismus als deutschen Grundkonsens ausgerufen hat, sind antirassistisch Engagierte auf der Suche nach einer Theorie, mit der sie sich vom staatsoffiziellen Antirassismus abgrenzen können. In der Critical Whiteness scheinen sie diese gefunden zu haben. Die Rede vom grundsätzlich „weißen“ Rassismus und dem notwendigen Bruch mit der „weißen“ Vorherrschaft dürfte genügen, jeden zivilgesellschaftlichen Anständigen vor den Kopf zu stoßen und damit dem eigenen Bedürfnis nach Radikalität genüge zu tun.

Dabei ist Critical Whiteness alles andere als eine radikale Kritik an der rassistischen Gesellschaft. Wie jede andere Form des postmodernen Sprachmagie-Idealismus ist sie grundlegend affirmativ, indem sie die auch dem Rassismus zu Grunde liegenden materiellen Verhältnisse außen vor lässt und den Rassismus ausschließlich im Bewusstsein der „Weißen“ verortet. Die „radikale“ Praxis erschöpft sich dementsprechend meist auch darin, „Rassenquoten“ für Podiumsdiskussionen zu fordern und Triggerwarnungen wegen angeblich rassistischer Sprache auszusprechen.

Über Widersprüche und Sinnlosigkeiten von Critical Whiteness spricht Benjamin Schilling (Halle a. d. Saale)

25. Juli

Was fangen wir mit den Aufständen an?
Gespräch mit Josef Swoboda, 25. Juli, 19:30 Uhr, VL Ludwigstraße

Zwar hat der moderne Kapitalismus auch in seinen wohlhabenden Zentren keineswegs den Frust, die Angst und die Langeweile zum Verschwinden gebracht. Er hat es aber durch verschiedene Integrationsmechanismen eine Zeit lang geschafft, solche Störfaktoren recht erfolgreich zu kanalisieren, sodass er sich als „klassenlose Klassengesellschaft“ (Adorno) präsentieren konnte, in der selbst gelegentlich auftretende Interessenskonflikte zum reibungslosen Funktionieren des Ganzen beitragen.

Seit dem Beginn der derzeitigen Wirtschaftskrise bekommt diese Fassade jedoch deutliche Risse: immer häufiger wird die scheinbare Harmonie durch kollektive Wutausbrüche und plötzlich auftretende Unruhen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gestört. Während auf den Straßen von Athen oder Barcelona gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Ordnungskräften und Rebellierenden schon fast wieder zur Normalität geworden sind, bleibt es hierzulande noch weitgehend ruhig – was sich jedoch unter Umständen schnell ändern kann.

In einem Vortrag werden zunächst ein paar Beispiele solcher Aufstände der letzten Jahre in verschiedenen europäischen Ländern etwas genauer beleuchtet. Anschließend kann diskutiert werden, wie derartige Ereignisse einzuschätzen sind und eventuell auch, wie sich die kleinen Minderheiten, die an einer generellen Überwindung von Herrschaft und Ausbeutung interessiert sind, angesichts unruhiger werdenden Zeiten verhalten können.

der Autor lebt in Berlin
http://www.magazinredaktion.tk/

6. Juni

„Die Denkbarkeit des Kommunismus. Über die Schwierigkeiten bei der Verwirklichung einer eigentlich bitter nötigen Sache.“
Gespräch mit Franz Hahn (Berlin) am 6. Juni um 20 Uhr, VL Ludwigstraße

„Tatsache ist, dass wir in diesem Augenblick nicht wissen, ob ein
‚Verein freier Menschen‘ – Marx´s Umschreibung für was der Kommunismus
wäre – möglich oder der Kapitalismus unvermeidlich wäre“, heisst es.
Niemand wird heute mehr sagen wollen, der Übergang zum Kommunismus wäre
unausweichlich – es steht viel eher in Frage, ob er überhaupt möglich
wäre. In der Tat scheint ja alles da zu sein, was nach Marx die
Voraussetzungen für den Übergang wäre: insbesondere ein riesiger
Maschinenpark, in dem aber alle Teile miteinander aus falsche Weise
verschränkt sind; und eine ungeheure Menge von Loahnabhängigen, die aber
nach wenig anderem fragen als nach Lohn. Ausgerechnet diese müssten sich
nun daran machen, diesen Maschinenpark für sinnvolle Zwecke
umzugestalten, und zwar, ohne dass die allgemeine Versorgung zusammenbricht.
Über die Schwierigkeiten beim Versuch, eine allgemeine menschliche Emanzipation unter heutigen Umständen ernsthaft ins Auge fassen zu wollen, wird Franz Hahn sprechen.

09. Mai

Die suspendierte Gattung – Zur Kritik des deutsch-europäischen Migrationsregimes
Gespräch mit Danyal am 09. Mai um 19:45 Uhr, VL Ludwigstraße

Es ist nicht das „Andersartige“ an den Geflüchteten, das den Hass der nationalisierten Arbeitskraftvehikel provoziert, es ist vielmehr die ihnen von den ökonomischen Naturgesetzen eingebrannte Nähe zu dem als unwert stigmatisierten Leben: Die Geflüchteten sind ihnen die bösen Propheten der eigenen Austauschbarkeit vor dem Kapital.
Im Moment der wilden Migration haben sich die Flüchtigen an der Gewalt des Souveräns versündigt – sie fallen in Ungnade eines ungnädigen Kollektivs, weil sie sich nicht allein seinem politökonomischen Kalkül unterworfen haben. Dass sie den zu Deutschen oder Griechen konvertierten Menschen an die Idee der solidarischen Gattung zu erinnern wagen, ist die größte Provokation, die von ihnen ausgeht. Sie brüskieren die Subjekte, die selbst nur ihr Existenzrecht beziehen, indem sie dem Kapitalzweck in Gänze unterworfen
und dem Staat bis in den Tod ergeben sind.
Der Geflüchtete ist allein dadurch anrüchig, weil er sich der Prozedur aus Reglementierung,
Kalkulation und Selektion durch die Apparate zu entziehen wagt; er ist allein durch seine Flucht verdächtigt, seinem eigenen Zwangskollektiv abtrünnig zu sein, um das fremde zu schröpfen.
Mit dem Kalkül, dass der drohende Tod sie hinhalte, zwingt das europäische Migrationsregime
die Flüchtigen auf die riskantesten Routen.

Danyal lebt in Hamburg und ist Autor des Blogs Cosmoproletarian Solidarity.